Wer mehrere Verträge unterschreibt, geht ein Risiko ein
23. Oktober 2004 - Andreas Dittmann
Kündigung vor Dienstantritt
In der Phase nach abgeschlossener Berufs- oder Universitätsausbildung ist es mangels Kontakten häufig angebracht, sich gleichzeitig um verschiedene Stellen zu bewerben. Damit besteht die Chance der „doppelten Zusage“. Gerade als Berufsanfänger scheint es angebracht, mehrere Eisen im Feuer zu haben. Es gilt jedoch vor Abschluss eines Arbeitsvertrages darauf zu achten, ob und wie nötigenfalls ein Arbeitsvertrag vor Dienstantritt wieder gekündigt werden kann, falls sich dann doch noch eine bessere Stelle findet.Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder auch aus wichtigem Grund vor dem vereinbarten Dienstantritt gekündigt werden. Etwas anderes gilt, wenn die Parteien ausdrücklich die Unkündbarkeit des Arbeitsvertrages vor Dienstantritt vereinbart haben oder sich der Ausschluss der Kündigung aus den Umständen – etwa der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts der Arbeit – zweifelsfrei ergibt. Die Vertragspartner können auch vereinbaren, wann die Kündigungsfrist bei einer vor Antritt ausgesprochenen Kündigung zu laufen beginnen soll. Haben die Parteien keine Vereinbarung über den Beginn der Kündigungsfrist getroffen, liegt eine Vertragslücke vor, die im Wege der Auslegung zu schließen ist, denn es stellt sich die Frage, ab wann die Kündigungsfrist zu laufen beginnt. Es muss der mutmaßliche Parteiwille ermittelt werden. Es gilt zu festzustellen, ob die Parteien sich bei Vertragsschluss schon so fest binden wollten, dass beide Seiten von einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme ausgingen oder nicht. Zur Ermittlung werden die im Arbeitsvertrag verankerten Regeln zu Probezeit und Kündigungsfristen ebenfalls herangezogen.
Typische Vertragsgestaltungen können dabei für oder gegen die Annahme sprechen, die Vertragspartner hätten eine Einlösung des Vertrags gewollt, mindestens für die Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist. Vereinbaren die Parteien etwa die kürzest zulässige Kündigungsfrist, spricht dies gegen die mutmaßliche Vereinbarung eines Zustandekommens des Arbeitsverhältnisses. Auch die Vereinbarung einer Probezeit mit abgekürzter Kündigungsfrist bildet kein Indiz für einen entsprechenden Parteiwillen; da der Arbeitgeber spätestens am Tag des Arbeitsantritts kündigen kann oder zumindest der Lauf der Kündigungsfrist an diesem Tag beginnt, reicht die abgekürzte Kündigungsfrist (in der Regel zwei Wochen) nicht aus, den Erprobungszweck zu erfüllen. Nachteile sind kein ArgumentJedenfalls spricht das Argument, dass die Kündigungsfrist vor Dienstantritt erhebliche Nachteile beinhalte, die auf der einen Seite erneute Ausschreibungskosten und auf der anderen Seite weitere Bewerbungsaktivitäten nach sich ziehen können, nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht für die Vermutung, dass immer erst die Kündigungsfrist mit dem Dienstantritt zu laufen beginnen kann. Denn vergleichbare Nachteile entstehen auch, wenn das Arbeitsverhältnis schon am Tag des Arbeitsbeginns mit einer verhältnismäßig kurzen Kündigungsfrist gekündigt wird.