Außerordentliche Kündigung bei vorgetäuschter Krankheit möglich
31. Juli 2004 - Andreas Dittmann
Lebenserfahrung zählt
Erst gibt es eine heftige Auseinandersetzung zwischen Mitarbeiter und Chef. Man wirft sich gegenseitig die eine oder andere unbedachte Äußerung an den Kopf. Das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien ist nachhaltig zerstört. Beide Seiten wollen und können nicht mehr miteinander arbeiten. Dann spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus, gegen welche sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage wehrt. Gleichzeitig meldet sich der Arbeitnehmer wenigstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist arbeitsunfähig krank. Dies ist möglich, denn es gibt diverse Krankheitsbilder, die auch von einem Arzt nur aufgrund der Beschwerdendarstellungen des Patienten diagnostiziert werden können.Zweifel des ArbeitgebersDer Arbeitgeber bezweifelt, dass der Mitarbeiter tatsächlich arbeitsunfähig krank ist. Er muss Entgeltfortzahlung leisten und hat kaum eine Möglichkeit, außergerichtlich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Für den Arbeitgeber bleibt aber der Ausspruch einer neuen Kündigung und die Verweigerung der Entgeltfortzahlung. Dies führt zwangsläufig zu einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung, in welcher der Arbeitnehmer durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seinen Teil zur Begründung seiner Ansprüche getan hat. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt nach der Rechtsprechung ein hoher Beweiswert zu, der nur durch berechtigte Zweifel erschüttert werden kann. Der Richter kann normalerweise den Beweis, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erwiesen ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine solche Bescheinigung vorlegt. Erst vor dem Arbeitsgericht ist der Arbeitnehmer verpflichtet, nähere Auskünfte über seine Krankheiten zu erteilen. Bei berechtigten Zweifeln werden dann meist die Ärzte als Zeugen gehört. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat festgestellt, dass jedenfalls dann, wenn ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von zwei Monaten unmittelbar nach einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung durchgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von verschiedenen Ärzten der verschiedensten Fachrichtungen vorlegt, begründete Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bestehen. Belastende AussagenEine Häufung von verschiedenen Erkrankungen hintereinander nach einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, festgestellt jeweils von verschiedenen Ärzten, entspräche nicht der Lebenserfahrung. Nachdem dann noch bei der Zeugenbefragung mehrere Ärzte in Kenntnis der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung von ihrer früheren Beurteilung nachträglich abrückten, stellte das Gericht wegen Vortäuschung der Erkrankung die Wirksamkeit der deshalb ausgesprochenen fristlosen Kündigung fest. Zugleich wies es die Forderungen der Arbeitnehmerin auf Entgeltfortzahlung zurück.