Welche Regeln hinsichtlich Duzen und Siezen gelten
17. Juli 2004 - Karl
Für Dich bin ich immer noch Sie
In vielen ausländischen Unternehmen oder auch in Internet-Firmen gehört es zur Unternehmenskultur, dass sich die Mitarbeiter untereinander ausschließlich Duzen. In anderen Betrieben wird streng darauf geachtet, dass die Hierarchien auch durch die Anredeform gewahrt bleiben. Eine bestimmte Anredeform ist aber fast nie Gegenstand des Arbeitsvertrages, und damit sind „Sie“ und „Du“ für Arbeitnehmer ein heikles Terrain.Im Fall eines schwedische Bekleidungsunternehmens kam es deswegen bereits zu einer ernsthaften Auseinandersetzung vor Gericht. Der Konzern setzt auf jüngere Kundschaft und wollte Hierarchien und Statussymbole abschaffen. Dementsprechend sollte auch der Umgang der Mitarbeiter untereinander gelockert und eine allgemeine Anrede mit dem Vornamen und einem „Du“ eingeführt werden. Das entsprach nicht zuletzt den Umgangsformen wie sie in Schweden üblich sind. Dort werden im allgemeinen nur Mitglieder des Königshauses und alte Menschen mit „Sie“ angeredet. Dem Leiter der Herrenabteilung behagte die neue Anredeform nicht. Gleichwohl duldete er diese, wenn auch widerwillig, zwei Jahre lang. Auch von Seiten des Betriebsrats oder einzelner Belegschaftsmitglieder kam kein Widerspruch. Im Laufe der Zeit verschlechterte sich das Betriebsklima. Der Mitarbeiter verlangte von der Unternehmensleitung, dass diese die Mitarbeiter anweisen solle, ihn künftig wieder mit „Sie“ anzureden. Nachdem dies verweigert wurde, klagte er vor dem Arbeitsgericht. Er machte geltend, er habe in Deutschland Anspruch darauf, nach den hier allgemein üblichen Umgangsformen angeredet zu werden. Andere Formen seien auch nicht durch den Abbau von Hierarchien und Statussymbolen zu rechtfertigen. Die Anrede mit dem „Du“ und dem Vornamen stelle eine Einschränkung und Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar. Darüber hinaus verletze der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht, wenn er die Mitarbeiter nicht anweise, ihn zu siezen. Das Landesarbeitsgericht gab dem Angestellten aber kein Recht. Zur Begründung hieß es: Durch die Duldung des „Du“ wurde mit der Zeit die Anrede Teil des konkreten Arbeitsvertrages. Wer daran etwas ändern will, muss sich mit dem Arbeitgeber auseinander setzen und möglicherweise den Vertrag ändern.Die Rechtsprechung erkennt ein Selbstbestimmungsrecht auf eine persönlichkeitswahrende Anredeform grundsätzlich an. Es wird allerdings durch die Interessen des Unternehmens eingeschränkt. Dies gilt besonders dann, wenn das Duzen Bestandteil der Unternehmenskultur ist – etwa, wenn das Unternehmen in Einklang mit seinen Produkten jugendlich wirken will. Dann hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ein „Sie“. Recht auf MitwirkungWird im Unternehmen die Anredeform festgelegt, darf der Betriebsrat mitreden, da dies als Änderung der betrieblichen Ordnung anzusehen und damit mitbestimmungspflichtig ist. Wem das „Du“ nicht gefällt, muss sofort auf das „Sie“ bestehen, sonst verliert er sein Recht auf die formellere Anredeform.